Die Publikationen auf Deutsch
Der wichtigste Gesetzentwurf, der in
der neuen russischen Staatsduma diskutiert wird, ist der
zweite Teil des Steuergesetzbuches, den die vorige Duma
in erster Lesung gebilligt hatte. Der bereits angenommene
erste Teil des Steuergesetzbuches und der sich in der
Beratung befindende zweite Teil stellen in ihrer Gesamtheit
die Steuerverfassung Ru?lands dar.
Vor den entscheidenden Aussprachen ist
es sinnvoll, die Ansatze der Dumafraktionen im Bereich
der Steuergesetzgebung unter die Lupe zu nehmen. Das Ergebnis
der bevorstehenden Diskussionen wird ma?geblich vom Aufeinanderprallen
der verschiedenen Standpunkte der Fraktionen der Staatsduma
bestimmt werden.
Abgesehen von der Fraktion "Einheit",
die kein eigenes Programm im Bereich der Steuergesetzgebung
hat ("Einheit" wird hochstwahrscheinlich blindlings
alle Vorschlage der Regierung unterstutzen), haben die
anderen funf Fraktionen (KPdRF, "Vaterland",
Bund der Rechten Krafte (rus. Abk.: SPS), JABLoko und
LDPR) solche Programme erstellt.
Das Programm der KPdRF enthalt neben allgemeinen
Ausfuhrungen uber die Notwendigkeit, "die Steuerpolitik
in Richtung Forderung der Warenproduzenten zu reformieren"
und "ein Steuersystem aufzubauen, das rational die
Interessen der Foderation, der Foderationssubjekte, von
Unternehmen, Organisationen und Burgern verbindet",
lediglich ein einigerma?en sachbezogenes Rezept der Steuerreform:
Vorgeschlagen wird, "die Burger mit superhohem Einkommen
und besonders gro?en personlichen Vermogenswerten progressiv
zu besteuern." Heute gilt jedoch im Lande schon die
progressive Besteuerung der Einkommen, wobei der Progressionsgrad
alles andere als klein ist. Andererseits ist aber allgemein
bekannt, da? diese Ma?nahme genau zum Gegenteil fuhrt:
Die Menschen mit hohem Einkommen zahlen vorzugsweise uberhaupt
keine Steuern und tauchen in den "Schatten"
ab. Bei einer allgemeinen Einschatzung der Haltung der
KPdRF zu den Steuerreformen mu? man auf die ubertriebene
Aufmerksamkeit der Kommunisten fur die Besteuerung der
Reichen hinweisen, wobei sie keine konkreten Vorschlage
fur die Schaffung eines gunstigen Investitions- und Steuerklimas
vorgelegt haben.
Die programmatischen Thesen von "Vaterland"
stellen eine Mischung von allgemeinen und partiellen,
mitunter suspekten Ma?nahmen dar, die sich keinesfalls
zu einem in sich geschlossenen Konzept der Steuerreform
vereinen lassen. Diese Ma?nahmen sehen vor, die Steuern
zu erma?igen, die Besteuerung des Mittelstandes zu vereinfachen,
die Steuerdisziplin zu erharten und den Gewinn, der in
die Investitionsguter eines Unternehmens investiert wird,
von Steuern zu befreien.
Die Besteuerungsvorschlage des Bundes
der Rechten Krafte lassen sich noch am ehesten mit dem
Begriff "Steuerreform" charakterisieren. Hierbei
handelt es sich um eine breitangelegte Reform. Sie sieht
vor, die Umsatzsteuern fur Unternehmen aufzuheben, die
Gesamtanrechungen fur den Lohnfonds (inklusive Einkommenssteuer)
von heute 44 bis 54 Prozent auf hochstens 35 Prozent zu
senken, eine proportionale Einkommenssteuer mit einem
einheitlichen Steuersatz von zwolf Prozent bei einem hohen
steuerfreien Minimum einzufuhren und fur die Steuererhebung
alle Einkommen heranzuziehen. Besonders bemittelte Burger
sollen durch Luxusakzisen progressiv besteuert, eine Immobiliensteuer
eingefuhrt, die Moglichkeit, personliche Ausgaben in die
Unternehmenskosten einflie?en zu lassen, verhindert und
die Steuern, inklusive der Mehrwertsteuer, fur Unternehmen
nach der Uberwindung der Haushaltskrise erma?igt werden.
Das Steuerprogramm von JABLoko ist das
am besten durchgearbeitete und umfangreichste Programm
aller im Parlament vertretenen Parteien. JABLoko ist die
einzige Fraktion, die speziell ein Steuerprogramm unter
dem Titel "Wie die Steuern zu erma?igen sind"
erstellt hat.
Nach Sergej Don und Alexej Michailow,
den fuhrenden Experten der Fraktion im Steuerbereich,
besteht die wichtigste Besonderheit der JABLoko-Strategie
zur Steuerreform darin, da? die Erleichterung der Steuerlast
in der Wirtschaft (als die wichtigste Voraussetzung kunftigen
Wirtschaftswachstums) in einer Weise und mit solchen Verfahren
vorzunehmen ist, da? Stimuli und Wirtschaftshebel zur
Ruckkehr der "Schattenwirtschaft" in die reale
Wirtschaft geschaffen werden. In den ersten Jahren der
Steuerreform dient eben die Legitimation der "Schattenwirtschaft"
als wichtigste Ressource zur Erweiterung der Steuerbasis,
die in betrachtlichem Ma?e (und bei einer gunstigen Verkettung
der Umstande - sogar hundertprozentig) die Haushaltseinnahmen
ausgleichen kann, die durch eine Erma?igung der Steuerlast
in der Wirtschaft ausfallen wurden. Aufgrund der Tragheitskraft
der Investitionsprozesse wird dann erst in der zweiten
Phase das sich beschleunigende Wirtschaftswachstum als
"Hauptstutze" des Haushalts im Hinblick auf
zusatzliche, die Senkung der Steuersatze ausgleichende
Einnahmen dienen.
Die Grundsatze der Steuerreform sind aus
Sicht von JABLoko wie folgt zu formulieren: wesentliche
Senkung der Steuerlast in der nationalen Wirtschaft, Anderungen
am Steuersystem, vor allem Steuererma?igung fur die Steuerzahler,
um die "Schattenumsatze" maximal zu legitimieren
und die Steuerlast in der Wirtschaft gleichma?iger und
gerechter zu veranlagen. Revolutionare Umgestaltungen
werden aufgrund der ihnen wesenseigenen gro?en Fehlerhaftigkeit
der Prognosenwerte der Steuererhebung als unzulassig erachtet
- die Anderung des Steuersystems soll einen etappenweisen
(evolutionaren) Charakter aufweisen und keine betrachtlichen
Kurzungen der Haushaltseinnahmen mit sich bringen (die
Haushaltseinnahmen sollen in der optimalen Variante auf
dem gleichen Stand wie vor den Reformen bleiben).
JABLoko berucksichtigt die objektiven
Probleme der Steuerverwaltung (begrenzte Mittel, unterentwickelte
Infrastruktur usw.) und glaubt, da? die Anderungen des
Steuersystems moglicherweise mit dessen maximaler Vereinfachung
und der Aufhebung kleiner und paralleler Steuern einhergehen
sollen. Dies wurde gestatten, die Kosten fur die Steuererhebung
und fur die Kontrolle der Steuerzahlungen zu minimieren.
Nach den Vorstellungen von JABLoko soll
das Steuersystem starker sozial ausgerichtet sein: maximale
Abzuge sind im Hinblick auf sozial bedeutsame Ziele vorgesehen;
die Steuer- und Tarifhohe soll dem Umfang der staatlich
garantierten Dienstleistungen entsprechen, die jeder Burger
in Anspruch nehmen kann, darunter fur seine Sicherheit
und die Unantastbarkeit des Privateigentums (naturlich
neben den notwendigen Ausgaben des Staates fur die nationale
Verteidigung, die Sicherheit, den Unterhalt des Staatsapparates,
Investitionen, Hilfeleistung fur die Regionen).
JABLoko ist der Ansicht, da? das Steuersystem
die Investitionsbereitschaft stimulieren soll. Genauso
wichtig ist die Aufgabe, die Stabilitat und Flexibilitat
des Steuersystems optimal zu verbinden. Letzteres ist
im Hinblick auf die Zahlungen und Steuern, die bei der
Forderung und dem Verkauf von Bodenschatzen erhoben werden,
von besonderer Wichtigkeit.
Das "Steuerprogramm" der LDPR
schlie?lich besteht aus einer Kombination einzelner Vorschlage.
Diese Vorschlage sehen vor, eine einheitliche Steuernorm
fur alle Wirtschafts- und Foderationssubjekte einzufuhren,
die Zahl der Steuern weitgehend zu reduzieren, das Steuersystem
zu vereinfachen, um es besser kontrollieren zu konnen,
und eine umfassende und vollstandige Steuer- und Wirtschaftsamnestie
zu verkunden. Diese Amnestie wurde nach Ansicht der LDPR
erlauben, mehrere Hundert Milliarden Dollar nach Ru?land
zuruckzufuhren, die nach der Perestroika wegen der hohen
politischen Risiken ins Ausland transferiert wurden.
Die Aussprache uber den zweiten Teil
des Steuergesetzbuches beginnt in der Duma im April beziehungsweise
Mai 2000.
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